Andachten

Andacht

Andacht 04.02.2023

04. Februar 2023 | Lothar Wilhelm

Andacht 04.02.2023

Bildnachweis: Gerd Schmid

Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr!

Schon davon gehört, dass Jesus einen Lieblingsjünger hatte? Ich lernte im Kindergottesdienst, dass Johannes der Lieblingsjünger von Jesus war – und ärgerte mich darüber. Wir waren zu Hause drei Geschwister. Meine Eltern bemühten sich darum, keines ihrer Kinder vorzuziehen, und trotzdem wachten wir Kinder argwöhnisch darüber, dass nicht einer mehr abbekam als der andere. So sind Kinder und Erwachsene auch heute noch. Jeder möchte geliebt werden, aber wenn einer mehr geliebt wird als der andere, dann empfinden wir das als ungerecht. War Jesus ungerecht? Zog er Johannes wirklich den anderen vor? Kommt es uns manchmal so vor, als habe auch Gott seine Lieblingskinder und wir gehörten nicht dazu? Als ich anfing, selbst gründlicher in der Bibel zu lesen, fiel mir auf, dass von dem „Jünger, den Jesus lieb hatte“ nur im Johannesevangelium berichtet wird. Die anderen Evangelisten erwähnen das nicht. Offensichtlich liebte Jesus Johannes nicht mehr als die anderen. Johannes aber war die Liebe Jesu so wichtig, dass er sich in seinem Evangelium gleich viermal als der Geliebte beschreibt (Joh 19,26; 20,2; 21,7; 21,20). An keiner Stelle behauptet er aber, dass er mehr geliebt wird als andere. Er beschränkt sich darauf zu schildern, dass da ein Jünger war, der von Jesus geliebt wurde. Er nennt nicht einmal seinen Namen, doch die Bibelausleger sind sich einig, dass Johannes hier von sich selbst spricht. Johannes war sensibel für Liebe. Darum erlebte er die Liebe von Jesus in besonderer Weise. Wäre es ihm wichtig gewesen, „Lieblingsjünger“ zu sein, wäre er gewiss enttäuscht worden. Es gab unter den Jüngern Eifersüchteleien und Rangstreitigkeiten, an denen auch Johannes beteiligt war. Er und alle Jünger mussten lernen, dass Jesus das nicht wollte, weil es die Gemeinschaft beschädigte. Bezeichnenderweise schreibt Johannes erst am Ende seines Evangeliums so nachdrücklich von dem „Jünger, den Jesus lieb hatte“. Nun brauchte er den Vergleich mit anderen nicht mehr. Wichtig war ihm nur noch, dass sein Herr Jesus ihn liebte. Gott, der jeden Menschen einzigartig geschaffen hat, liebt auch jeden auf einzigartige Weise. Diese unvergleichliche Liebe zu erkennen und sie für sich anzunehmen, darauf kommt es an. Das ist beglückend.

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