Andachten

Andacht

Andacht 26. Juni 2022

26. Juni 2022 | Ralf Schönfeld

Andacht 26. Juni 2022

Bildnachweis: Gerd Schmid

Wer ist denn mein Nächster?

Meine Frau und ich radelten durch die Elbauen nahe Lüneburg. Das letzte heftige Hochwasser war gerade vorüber, die schlimmsten Schäden waren beseitigt. In einem Vorgarten sah ich ein großes Stofftransparent: „Danke an alle Bekannten und Unbekannten, die uns geholfen haben!“ Das hat mir gefallen – nicht nur, dass da jemand dankbar war, sondern offenbar waren viele bereit, zu helfen. Sehr schön! Warum jedoch wird dann den ca. 20 Millionen (!) irgendwie Abhängigen in unserem Land eher mit Verachtung begegnet? Vielleicht, weil sie – anders als Hochwasseropfer – in unseren Augen „selbst schuld“ sind? Wie war das bei Jesus? Er rettete die verängstigte Ehebrecherin, kümmerte sich um den orientierungslosen Kirchenmann Nikodemus und wandte sich noch in der Todesstunde mit echten Hoffnungsworten an den Verbrecher neben ihm am Kreuz. Alle selbst schuld, oder? Ich auch. Für Jesus offenbar kein Kriterium. Vielleicht auch deshalb, weil wir auf einer von Sünde durchsetzten Welt Verantwortliche und Opfer zugleich sind? Ich kann verstehen, warum mancher so ist, wie er ist. Ein paar Jahre mit „verhaltensauffälligen“ Kindern zu arbeiten hat mir die Augen geöffnet. Wer könnte nicht nachempfinden, wie weh es tut, nicht gewollt zu sein? Jeden Tag zu hören: Du taugst nix! Lieber so benehmen, dass man Schläge bekommt als gar keine „Zuwendung“? Er war acht Jahre, als er zum ersten Mal Drogen nahm. Liebesersatzstoff. In dieser „Familie“ war der Tag anders nicht mehr zu ertragen. Selbst schuld? Heute ist Weltdrogentag, deshalb mein Denkanstoß. Wer braucht vielleicht meine Zuwendung, wer ist mein Nächster? Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, aus dem diese Frage stammt, kennt nur eine Antwort: Wer Hilfe braucht, dem soll ich sie geben. Punkt. Schuldfragen spielen hier keine Rolle. Wichtig zu beachten: Nicht jede Hilfe „aus dem Bauch heraus“ ist auch wirklich eine. Oft unterstützt fachliche Beratung. Und was wird mit dem „Eigenanteil“ an der Lage? Da gibt es nur eine Anlaufstelle: Jesus, den Vergeber, Annehmer und Ermutiger für neue Wege. Mit ihm möchte ich mich zusammentun. Sogar der Gesetzeslehrer hatte verstanden, wer auf der richtigen Spur ist: „Der, der Mitleid hatte und ihm half.“ Jesus antwortete: „Ja. Nun geh und mach es genauso.“ (V. 37 NLB)

Zurück