Andachten

Andacht

Andacht 30.09.2019

30. September 2019 | Hartwig Lüpke

Andacht 30.09.2019

Bildnachweis: Rike. / photocase.de

Niemand von euch kann mein Jünger sein, wenn er nicht zuvor alles aufgibt, was er hat.

Es war am 30. September 1989, als der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Prager Botschaft aus zwölf bedeutungsschwere Worte sagte, die einen Jubel der Begeisterung auslösten: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise …“ Wenige Stunden später rief ein innerlich aufgewühlter junger Mann in eine Fernsehkamera: „Ich fange ein völlig neues Leben an!“ Er strahlte, obwohl er alles hinter sich gelassen hatte. Sein gesamtes altes Leben war Vergangenheit. Er hatte einen totalen Schnitt vollzogen. Er begann ein völlig neues Leben mit neuer Hoffnung und neuen Werten.
Bei diesen Gedanken halte ich beschämt inne. Wie halbherzig können wir Christen doch sein, wenn es darum geht, das alte Leben ohne Jesus hinter uns zu lassen, den klaren Schnitt zu vollziehen, der Sünde und allem Eigensinn den Abschied zu geben, der Lau- und Trägheit Lebewohl zu sagen. Immer wieder kann es passieren, dass wir ein „wohltemperiertes“ Christentum leben – weder heiß noch kalt (Offb 3,16). Ist uns deshalb manchmal so unbehaglich zumute? Sind wir deshalb so unsicher in Bezug auf unser Heil? Legt sich deshalb eine hartnäckige Traurigkeit auf unser Gemüt, obwohl Nachfolge Jesu doch „die fröhlichste Sache der Welt“ (Helmut Thielicke) ist?
Das Jesuswort klingt zunächst sehr streng, hart und einengend. Aber sollten wir es nicht eher als Wort der Barmherzigkeit verstehen, das uns vor aller Vermischung von weltlicher und göttlicher Denk- und Lebensweise bewahren will? Ob Jesus uns nicht befreien möchte von den „Gallen- und Nierensteinen unseres Gewissens“ (Helmut Thielicke)? Wenn Jesus ruft, spricht er immer eine Einladung aus, keine Vorladung. Er ruft aus der Versklavung in die Kindschaft; aus der Sünde und der Unverbindlichkeit in eine feste, beglückende und heile Beziehung zu ihm. Was zunächst wie ein Verlust aussehen mag, erweist sich als unermessliches Glück, als eine Freude, die in Gott verankert ist, als Reichtum, der weder von Motten noch vom Rost zerfressen wird. „Verlassen“ und „Anhängen“ (1 Mo 2,24) ist ein Liebesprinzip. Das klare Nein und das klare Ja bezeugen die Ernsthaftigkeit, mit der wir Jesus folgen wollen, und die Echtheit unserer Liebe.

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