Andachten

Andacht

Andacht 29.12.2018

29. Dezember 2018 | Martin G. Klingbeil

Andacht 29.12.2018

Bildnachweis: Katarzyna Wendt

Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

Das muss eine Nacht gewesen sein! Nach zwanzig Jahren des selbstauferlegten Exils befindet sich Jakob auf dem Rückweg nach Kanaan. Allein und mittellos ist er damals ausgezogen - oder eher: vor dem Zorn seines Bruders geflohen. Nun kehrt er als Ehemann, Vater und Großgrundbesitzer zurück. Doch was ihm trotz seines materiellen Reichtums fehlt, ist die Versöhnung mit Esau.
Sorgfältig hat er sich auf die Begegnung mit seinem Bruder vorbereitet, hat großzügige Geschenke vorausgesandt, um ihn zu besänftigen. Dann hat er seine Familie aufgeteilt, sodass - im Falle eines Hinterhalts - wenigstens ein Teil seiner Frauen und Kinder überlebt. Er scheint immer noch der kühl berechnende Geschäftsmann zu sein, der sich damals das Erstgeburtsrecht erschwindelt hatte. Alles hervorragend geplant - aber wie so oft im Leben, wenn wir auf unsere eigenen, ausgeklügelten Pläne vertrauen, kommt alles ganz anders.
Und so befindet sich Jakob am Vorabend der Begegnung mit seinem Bruder als Letzter auf der Nordseite des Flusses Jabbok, während alle anderen schon auf die andere Seite übergesetzt sind. Er sucht einen Augenblick der Ruhe vor den schwer kalkulierbaren Ereignissen des nächsten Tages, er sucht nach Gott. Da wird er plötzlich von hinten angegriffen. Ist das schon einer von Esaus Männern? Ein zermürbender Kampf beginnt und nach Stunden des verzweifelten menschlichen Ringens erfolgt eine kurze göttliche Berührung, die Jakobs Hüftgelenk ausrenkt. Unter Schmerzen erkennt der Patriarch schließlich, mit wem er es zu tun hat. Jetzt folgt etwas Interessantes: Nachdem Jakob stundenlang verzweifelt versucht hat, den Angreifer abzuwehren und von ihm wegzu-kommen, klammert er sich jetzt an ihn und will ihn nicht mehr weglassen, ohne vorher von ihm gesegnet zu werden.
Nach zwanzig Jahren und einer Nacht hat er endlich die wichtigste Lektion seines Lebens gelernt: Anstatt es mit eigener Kraft schaffen zu wollen, braucht er sich nur an Gott festzuhalten. An Gott dranbleiben statt dagegenzuhalten. Das funktioniert auch heute noch.

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