Andachten

Andacht

Andachtt 02.10.2018

02. Oktober 2018 | Thomas Lobitz

Andachtt 02.10.2018

Bildnachweis: Fraenzel / photocase.de

Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen.

Vor einiger Zeit war ich allein in Hamburg unterwegs. Es sollte ein entspannter Tag werden, doch aufgrund einiger Ereignisse in meinem Leben irrte ich innerlich aufgewühlt durch die Straßen. Zufällig fiel mein Blick auf ein Schild, auf dem zu einer Mittagsandacht in der Kirche Sankt Michaelis (dem berühmten „Michel“) eingeladen wurde. Irgendwie fühlte ich mich angesprochen und ging auf die imposante Barockkirche zu. Schon von draußen konnte man das Orgelspiel hören.
Die Reihen waren erstaunlich gut besetzt. Der Organist spielte Stücke von Johann Sebastian Bach derart virtuos und eindringlich, dass ich überwältigt war. Der Klang der Orgeln (es gibt fünf, von denen sich mehrere gleichzeitig auf einem zentralen Tisch bespielen lassen) sorgte dafür, dass die Musik in mir einen Eindruck von Gottes Gegenwart hinterließ. Von der Predigt habe ich nichts mehr behalten, aber ich verließ die Kirche ruhig und getröstet.
Wenn wir Leid oder andere negative Erfahrungen erleben, drängt sich in uns oft die Frage nach dem Warum auf. Wir erwarten, dass uns eine Erklärung helfen wird. Doch Gott antwortet und tröstet auf seine Weise. Hiob, der leidgeprüfte Mann aus dem Alten Testament, bekam von Gott keine Erklärung für das, was er erleben musste (die bekommen nur die Leser des Buches Hiob in Kapitel 1). Stattdessen erlebte er eine Offenbarung der Größe Gottes (ab Kapitel 38). Nach dieser Erfahrung sprach er den oben zitierten Satz - es klingt getröstet und erleichtert.
Ganz anders reagierte Gott bei den sogenannten Emmausjüngern (Lk 24,13-35). Sie waren entsetzt und entmutigt, weil sie erleben mussten, wie Jesus am Kreuz starb. Dabei hatten sie gehofft, dass er „Israel erlösen werde“ (V. 21). Sie bemerkten zunächst nicht, dass sie auf ihrem Weg gerade dem auferstandenen Jesus begegnet waren, der ihnen anhand der alttestamentlichen Schriften erklärte, warum alles so kommen musste. Erst danach gab er sich ihnen zu erkennen.
Manchmal brauchen wir eine Deutung für das, was wir nicht verstehen, manchmal hilft uns ein Gefühl von Gottes Nähe und Größe, weil wir bestimmte Erklärungen (noch) nicht verarbeiten können. Gott schenkt uns beides zur rechten Zeit. Nehmen wir es wahr und dankbar an.

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