Andachten

Andacht

Andacht 10.07.2018

10. Juli 2018 | Dennis Meier

Andacht 10.07.2018

Bildnachweis: BeneA / photocase.de

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unterschiedliche Regionen haben unterschiedliche Redeweisen. Sie klingen, wenn man Zugereister ist, nicht immer korrekt. Wenn der Sachse z. B. sagt, dass ihm etwas „ganz sehr“ gefallen habe, dann übertönt der Grammatikalarm in meinem Kopf den Tinnitus. Ich stelle mir vor, was Gott sich alles in unseren Gebeten anhören muss, auch in meinem westfälisch- hamburgischen Gestümper. Im Norden höre ich hin und wieder Bitten, die so klingen: „Lass, dass Opa Knesebecks Operation gelingt.“ Stilistisch korrekt wäre wohl: „Ich bitte dich darum, dass ...“, oder im Duktus eines irischen Reisesegens: „Möge die Operation ...“
Als ich diese eigentümliche Bittformel das erste Mal hörte, da zuckte ich doch zusammen, denn alles, was ich mitbekam, war, dass da jemand ständig zu Gott sagte: „Lass das!“ Natürlich war das nicht gemeint und ich bin auch gewiss, dass der Heilige Geist das übersetzt (wie Paulus in Römer 8,26 sagt: „mit unaussprechlichem Seufzen“ - ich ahne, warum), aber es hat mich zum Grübeln gebracht. Wenn wir ein Gebet mit einem Ton eines Instruments vergleichen, der durch Schwingen einer Saite erzeugt wird, dann hören wir eigentlich eine ganze Reihe von Tönen, die gleichzeitig mitschwingen. Die sogenannten Obertöne. Im Fall der Sprache nennen wir das kurioserweise Untertöne. Wer sagt: „Grün ist meine Lieblingsfarbe“, sagt gleichzeitig: „Blau ist nicht meine Lieblingsfarbe.“
Worauf ich hinauswill: Wenn wir Gott konkret um etwas bitten, merken wir manchmal nicht, dass wir damit viele andere Möglichkeiten ausschließen. Hinter mancher Gott höflich vorgebrachten Bitte steckt unterbewusst vielleicht wirklich ein „Lass das“. Wir legen Gott nicht nur das Problem vor, sondern gleich die gewünschte Lösung. Und wir erkennen manche Gebetserhörung vielleicht nie oder zu spät, weil der Ausgang einer Sache der Art war, dass wir lieber „Lass das!“ gerufen hätten.
Das ist der Grund, warum Jesus in den Beginn des Vaterunsers die wahrscheinlich schwierigste Formulierung dieses Mustergebets einwebte: „Dein Wille geschehe.“ Nicht als Standardformel, sondern als Bewusstmachung, dass hier eigentlich ein befreiter Mensch zu einem freien Gott spricht.
Und manchmal antwortet Gott eben in unserer Sprache, wenn auch nicht unbedingt in unserem Sinne, wenn er sagt: „Lass das ... los!“

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